Kirchenbücher im Spannungsfeld der Konfessionen - Ein Blick nach Kaltenbrunn im 17. Jahrhundert
01.06.2025, Recherche und Text: Johannes Gebhardt M.A.
Dass Kirchenbücher eine der wichtigsten Quellen für die Familienforschung sind, ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist jedoch, dass sich aus ihnen auch erstaunlich detaillierte Einblicke in historische, gesellschaftliche und religiöse Umbrüche gewinnen lassen.
So brachte der Dreißigjährige Krieg nicht nur politische und militärische Auseinandersetzungen, sondern auch massive Versuche, vormals evangelische Gebiete zum katholischen Glauben zurückzuführen. Wie sich diese Bestrebungen auswirkten, zeigt in eindrucksvoller Weise das älteste Taufbuch von Kaltenbrunn aus der Oberpfalz – einer Region, die besonders stark von Maßnahmen der sogennanten Rekatholisierung betroffen war.
Vor allem in den Gebieten der Pfalzgrafschaft Sulzbach, zu denen Kaltenbrunn gehört, war es oft der Fall, dass Kirchenbücher einen mehrfachen Konfessionswechsel durchliefen. Bis Juli 1627 finden sich im Taufbuch Einträge, die durch den evangelischen Pfarrer vorgenommen wurden – auf Deutsch nach dem Schema: Datum der Taufe, Name des Vaters, Geschlecht und Name des Kindes sowie Nennung der Paten. Doch dann erfolgt ein markanter Bruch: Nach dem letzten evangelischen Eintrag folgt eine Vorrede des neuen katholischen Pfarrers, der erklärt, das Kirchenbuch werde nun „katholisch“ weitergeführt. Der Stil ändert sich deutlich – die Sprache wechselt ins Lateinische, das Schriftbild verändert sich, und die Einträge folgen dem neuen Schema: Datum der Taufe, Name des Kindes, Name beider Eltern und Name der Paten.
Ein weiterer Bruch folgt 1649, als nach Ende des Krieges und der Wiederherstellung des evangelischen Kirchenwesens erneut ein evangelischer Pfarrer seinen Dienst in Kaltenbrunn aufnimmt – auch dies dokumentiert durch einen stilistisch klaren Neuanfang im Kirchenbuch.
Interessant ist: An der Vorrede des katholischen Pfarrers wurden nun nachträglich Korrekturen und Ergänzungen durchgeführt. Beispielsweise wurde das Wort „katholisch“ durchgestrichen und mit „papistisch“ überschrieben, einem abwertenden Kampfbegriff für Katholiken.
Ähnlich aussagekräftig ist das zugehörige Trau- und Bestattungsbuch von Kaltenbrunn. Auch in diesem finden sich klare Brüche ab 1627 und ab 1649. Besonders die Überschrift „IHS MARIA“ im Eintrag aus dem Jahr 1633, weist das Buch in dieser Zeit als eindeutig katholisch geführt aus. Nicht nur die Verwendung eines typischen katholischen Glaubenssymbol, für das es mehrere Deutungen gibt, sondern auch die Betonung der Gottesmutter Maria sind Belege dafür.
Der Umgang mit Kirchenbüchern in der Zeit der Reformation und Gegenreformation ist demnach ein spannendes Thema für weitere Forschungen. Hierzu verwahrt das Landeskirchliche Archiv der ELKB heute rund 900 Kirchenbuchserien. Viele davon sind bereits digitalisiert und stehen Interessierten für Forschung und Bildung zur Einsicht in unserem Lesesaal und im Online-Portal Archion zur Verfügung. Bis 2030 werden schließlich alle relevanten Kirchenbücher online zugänglich sein.
Hier können Sie mehr über das Digitalisierungsprojekt der Kirchenbücher erfahren.
Signaturen der beiden Kirchenbücher:
Taufbuch 1572 - 1711: PfA Kaltenbrunn-Freihung 9.5.0001 – 148 – 1
Trau- und Bestattungsbuch 1579 (1581) - 1715: PfA Kaltenbrunn-Freihung 9.5.0001 – 148 – 3