Ein Brief ans Christkind von 1872
01.12.2025, Recherche und Text: Dr. Friedhelm Gleiß
Schon vor über 150 Jahren schrieben Kinder vor Weihnachten Briefe mit ihren Geschenkewünschen an das Christkind. Ein solcher Wunschbrief ist auch im Landeskirchlichen Archiv, genauer im Nachlass von Alfred Mehl, vorhanden.
Diesen Brief schrieb Alfred Mehl im Alter von sechs Jahren. Seine Wünsche waren – verglichen mit denen heutiger Kinder (z.B. Spielzeug, Spielekonsolen, Smartphones) – ganz andere, aber durchaus anspruchsvoll: ein Pferdewagen, eine Peitsche, ein Schlitten, eine Trompete, ein Projektionsgerät ("Laterne magica") sowie Hefte und Federn.
Doch wieso schrieb er seine Wünsche überhaupt an das Christkind?
Die Christkind-Tradition hat ihren Ursprung in der Reformation und geht auf Martin Luther zurück. Dieser wollte, dass sich das Weihnachtsfest stärker auf Jesus Christus statt auf Heilige wie den Nikolaus konzentriert – deshalb führte er das Christkind als neue Symbolfigur ein. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich das Bild des Christkinds von einem göttlichen Kind zu einer engelsgleichen Gestalt, meist mit weißem Gewand und blonden Locken. Traditionell bringt es am Heiligabend die Geschenke, weshalb viele Kinder bereits im Vorfeld Briefe mit ihren Wünschen an das Christkind schicken.
Alfred Mehl (1865-1937) war der Sohn von Ernest Mehl (1836-1912) und Marie Henriette Félicité geb. Bobenruter, die aus dem Elsass stammten. Ernest Mehl gründete u.a. soziale Einrichtungen für Fabrikarbeiter und kaufte ein Grundstück auf der Hensoltshöhe in Gunzenhausen, auf dem er ein Erholungsheim und das Diakonissen-Mutterhaus Hensoltshöhe gründete, die beide heute zur Stiftung Hensoltshöhe gGmbH gehören.
Alfred Mehl selbst studierte Theologie in Erlangen, Greifswald und Tübingen. Sein Vikariat absolvierte er in Nürnberg-St. Peter, wo er den ersten christlichen Posaunenchor in Bayern gründete. Danach war er Pfarrer in Eismannsberg, in Kirchenlamitz, auf der Hensoltshöhe, in Nürnberg und schließlich in Eltersdorf. Laut einem Nachruf ging er als "Bärenpfarrer" in die Kirchenlamitzer Geschichte ein, „weil die jungen Pfarrleute an einem bitterkalten Wintertage 14 Slavonier [Slawonien: Region im Osten Kroatiens], 2 Bären, 6 Affen und 2 Wägen mit 4 Pferden hoch oben aus dem Gebirgswald heruntergeholt und zum Entsetzen vieler in Pfarrhaus und Scheune für 10 Tage aufgenommen hat [sic!]." (Quelle: LAELKB, Nachlass Mehl, Alfred 8.7.0043 - 28.) In der Zeit des Nationalsozialismus war er Mitglied der „Bekennenden Kirche“ und setzte sich für Albert Schweitzer ein. Während seiner geistlichen Tätigkeit veröffentlichte er einige Schriften zu theologischen Themen.
Im Nachlass von Alfred Mehl befinden sich u.a. Zeugnisse, Urkunden, ein Poesiealbum, zahlreiche Briefwechsel, Manuskripte, Lebenserinnerungen und Tagebücher. Damit können sein Werdegang und seine Überzeugungen aus verschiedenen Perspektiven erforscht werden.
Das Landeskirchliche Archiv verwahrt auch die Nachlässe des Vaters Ernest Mehl und von zwei seiner Kinder: Ernst Mehl, Bibliothekar, und Johannes G. Mehl, Pfarrer sowie Orgel- und Glockensachverständiger der Landeskirche.
Daneben können Interessierte auch mehr als 550 weitere Nachlässe im Landeskirchlichen Archiv einsehen. Es handelt sich u.a. um die schriftliche Überlieferung von Pfarrern, Persönlichkeiten in leitenden kirchlichen Stellen, Theologieprofessoren, Juristen sowie Kirchenmusikern und Kirchenmusikerinnen.
Quelle: LAELKB, Nachlass Mehl, Alfred 8.7.0043